Modern Times
11.04.2016
Änn
Kommentare: 2
Hochverehrte Lady,

Ich habe heute Ihre Zeichnung zwischen meinen Unterlagen gefunden. Bitte stellen Sie sich vor, wie ich gerade über meiner Übersetzung des Esna-Textes brüte und versuche der dsch-Hieroglyphe auf den Grund zu kommen, als ich plötzlich die Seiten umblättere und mich mein eigenes Gesicht anstarrt.  Meine Finger gleiten über die feinen Linien von Ihrer Hand und ich sehe förmlich die freudige Erregung in Ihrem Gesicht, als sie mir das Papier in einem unbeobachteten Moment zustecken, gewiss in der Absicht mich damit an unsere erste Begegnung zu erinnern.

Wie ehrfürchtig und befangen ich doch auf Sie gewirkt haben muss. Der unbedeutende Student mit dem festen Willen Ihren Herrn Vater von seiner geistigen Brillanz zu überzeugen. Der kleine, arme Akademiker, der sich statt dessen mit der jungen Herrin des Hauses konfrontiert sah, die mich mit ihrer nonchalanten Art gleich in ihre Unternehmungen einspannte. Hat Sie meine Reaktion sehr amüsiert, als Sie mich fragten, ob ich für Sie Modell sitzen würde? Mit etwas Abstand hätte ich vermutlich selber über mein wirres Gestotter gelacht, aus dem die feste Überzeugung sprach, hier die erste Hürde für die Aufnahme in die Forschungsgruppe ihres Vaters vor Augen zu haben.
Also saß ich da. Still und reglos, als hätte man eine Maus vor die Schlange gesetzt. Ich erinnere mich nicht wie lange. Ich erinnere mich hingegen, dass mich eine Berührung an der Schulter aus der Starre riss und wie Sie freudig überrascht zu mir hinunter schauten. „Oh gut. Ich dachte schon der Herr Archäologe wäre selbst zur Statue erstarrt. Woran haben Sie gedacht?“
Dieselben Worte sind in feiner Handschrift neben der Zeichnung notiert. „Nichts“, hatte ich an diesem Tag geantwortet, immer noch schwer beeindruckt von meiner ersten Begegnung mit der wahrhaft exotischen Spezies einer waschechten Adligen. Doch wenn ich nun so daran zurück denke, glaube ich, dass ich tief in die Arbeit versunken war. Ich habe entdeckt und kartographiert:

Die sanften Wellen Ihrer Haare.
Die leichte Verwerfung der Konzentration zwischen den Brauen.
Die blauen Untiefen Ihrer Augen.
Die abfallende Klippe der Nase.
Die geschwungene Küstenlinie der Lippen.

Alles, um auch meinerseits ein Bild für die Erinnerung zu malen.

Ein Bild, dass ich nun, an meinem Platz sitzend, aus der Truhe meines Gedächtnisses hervorhole. Sie haben also erreicht, was Sie wollten. Während ich diese Zeilen schreibe, werde ich von Kollegen gefragt, was mir ein derartiges Lächeln aufs Gesicht zaubert. Doch die Antwort ist nur für Sie bestimmt.

Sie sind in meinen Gedanken.

InLiebe.png
11.04.2016 23:07
https://www.youtube.com/watch?v=PF5weay8Tqc&nohtml5=False

(Suddenly you walked in)
14.04.2016 20:43
Ist das romantisch! *seufz* Und so hat alles begonnen.
Zwei gegen das Schicksal.
Eine schöne Schwärmerei! :)
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