Rowan Trevelyan
31.05.2014
Momper
Kommentare: 1
"Es wird Zeit.", durchbrach Vaters Stimme die angespannte Stille, die während des gesamten Frühstücks geherrscht hatte, als er sich an Ser Renard wand. "Ihr habt eine weite Reise vor Euch und wollt zweifelsohne das Tageslicht nutzen. Lasst uns in die Ratskammer gehen und die letzten ungeklärten Fragen besprechen." Vater erhob sich und blickte dann Mutter auffordernd an. "Milady?" Mutter erhob sich ebenso. Ser Renard tat es ihr gleich. Ohne auf eine Antwort zu warten durchmaß Vater den Speisesaal und verschwand im Nebenraum. Erst als auch Mutter und der Ser den Raum verlassen hatten, wagte Ciaran, auszuatmen.
Das war es also. Das Ende der Kindheit für Rowan. Und wenn Rowan schon seine Kindheit beendete, dann durfte Ciaran selbst ihm da in nichts nachstehen. Ciaran war jetzt 15, beinahe ein erwachsener Mann. Bald würde er heiraten. Er hatte seine zukünftige Braut schon einmal gesehen. Sie war ihm vor einem Jahr vorgestellt worden und sie hatte ihm gefallen. Allerdings war er sich sicher, dass er sie kein Stück beeindruckt hatte. Andererseits würde er eines Tages Vaters Platz einnehmen. Und dann brauchte er eine Frau, die ihm einen Sohn schenken würde.  Er dachte nicht oft darüber nach. Das alles schien bisher in weiter Ferne zu liegen. Doch ab heute würde sich alles ändern. Rowan war vor einigen Tagen 12 Jahre alt geworden, und das bedeutete, dass er jetzt seinen Knappendienst beginnen würde. Ser Renard war Mutters Onkel und hatte einen ausgezeichneten Ruf. Zumindest ging Ciaran davon aus, denn ansonsten hätte Vater ihm nicht einen seiner Söhne gegeben.
Rowan, Aellin und selbst der Kobold hatten, wie er selbst, ihre besten Kleider angezogen. Das war sonst nicht üblich. Nicht zum Frühstück. Doch seit der Ser nach Hügeltrutz gekommen war, um Rowan abzuholen, hatten sie jeden Morgen viel früher aufstehen und sich herausputzen müssen. Nolan – jeder außer Vater und Mutter nannte ihn Kobold, weil ihm jetzt erst langsam Haare wuchsen und seine Ohren so weit abstanden wie bei den Kreaturen aus dem Märchen - trug über seinem Wams allerdings noch ein Speisetuch. Aber das lag daran, dass er ohnehin nach wie vor seine Kleidung bekleckerte, wenn er etwas aß. Ciaran konnte sich noch bruchstückhaft an die Zeit erinnern, in der Rowan so klein wie jetzt Nolan gewesen war. Immer laut und unruhig. Der Kobold hingegen war wie Aellin damals ein stilles Kind, das mit staunenden Augen alles geduldig betrachtete, das er erblickte. Doch heute war er für seine Verhältnisse ausgesprochen quengelig. Vermutlich wusste selbst er, dass sich in Hügeltrutz etwas Grundlegendes verändern würde. Er war beinahe drei. Sicher wusste er es. Und er hatte sich ebenso verhalten, als Lynn vor ein paar Monaten den Haushalt verlassen hatte, um zu ihrem eigenen zurückzukehren. Schon damals waren Rowan, Aellin und Nolan so niedergeschlagen gewesen wie heute. Gerade für den Kobold musste das sehr schwer sein, denn Lynn und Rowan waren zwei Menschen, die er seit seiner Geburt kannte. Und jetzt verlies ihn schon der zweite.
Der Jüngste brabbelte etwas Unverständliches und wackelte in seinem erhöhten Stuhl hin und her. Dabei lief ihm wässriger Brei über das Kinn. Eigentlich war er seit einigen Monaten schon in der Lage, kurze Sätze verständlich auszusprechen. Heute schien er diese Fähigkeit allerdings verloren zu haben.
Ciaran besann sich darauf, dass er nun der vernünftige Älteste sein musste und griff zurück auf eine Strategie, die er bei Vater beobachtet hatte.
Entspanne die Situation mit einem Scherz.
"Ich nehme an, der Kobold will sagen, dass Du ihm fehlen wirst. Auch wenn ich froh wäre, würde er sein Essen zuerst herunterschlucken."
Niemand lachte. Rowan betrachtete weiterhin versunken den Fußboden. Aellin starrte nach wie vor unglücklich Rowan an. Nolan wackelte immernoch im Stuhl herum.
"Du wirst ein Ritter werden.", fuhr Ciaran unsicher fort, "Ein richtiger Ser! Ser Rowan. So werden dich alle nennen. Sänger werden Lieder über dich schreiben."
Das stimmte nicht unbedingt. Ciaran kannte ein paar Sers – zum Beispiel Onkel Aidan - und über keinen davon gab es ein Lied.
Rowan richtete sich ein wenig auf und kaute auf seiner Unterlippe. Er war inzwischen fast genauso groß wie Ciaran. Das blonde Haar umrahmte kinnlang das Gesicht. Rowan würde kräftiger werden müssen, fand Ciaran, wenn er nicht unter dem Gewicht einer Rüstung zusammenbrechen wollte. Aber Ser Renard würde aus ihm schon einen starken Mann formen.
So wie Vater einen starken Mann aus mir formt.
"Und wenn ich es nicht schaffe?", fragte Rowan.
Du bist ein Trevelyan. Es gibt nichts, was du nicht schaffst.
Das zumindest wäre Vaters Antwort gewesen.
Dann komm einfach wieder hierher zurück und versuche was anderes.
Das hätte er gern geantwortet. Beides kam ihm falsch vor, also antwortete er gar nichts. Und er war froh, als Aellin die Stille unterbrach.
"Wie lange dauert es denn, bis du ein Ritter bist? Wann bist du denn wieder hier?", fragte sie.
Rowan gab mit einem Blick die Beantwortung der Frage an Ciaran weiter. Aellin blickte nun auch zu ihm und auch der Kobold war einen Augenblick still.
"Das hängt zunächst davon ab, wie du dich anstellst und ob du den Ser zufrieden stellst.", antwortete Ciaran und stellte fest, wie gut er den nachdenklich abwägenden Tonfall von Vater schon nachmachen konnte, "Aber wenn du..."
"Ich werde nie wieder kommen.", fiel ihm Rowan ins Wort.
Aellin riss die Augen auf und begann zu weinen. Der Kobold setzte mit ein. Das durfte Ciaran ihnen nicht erlauben. Er stand auf und stemmte sich dabei mit den Fäusten auf dem Tisch ab. Dass dabei ein silberner Kelch scheppernd zu Boden fiel, gab der Bewegung den notwendigen Nachdruck und Ciaran wünschte sich, Vater hätte diese gelungene Geste gesehen. Denn sofort schwiegen die anderen und blickten eingeschüchtert zu ihm. Das musste er nutzen.
"Das ist nicht wahr, Rowan! Du wirst ein Ritter. Und du wirst der beste Ritter werden, von dem Albernia je gehört hat. Du bist ein Trevelyan! Vergiss das nicht. Und wenn ich eines Tages Herzog bin, dann wirst du mein Waffenmeister. So wie Onkel Aidan Vaters Waffenmeister ist." Damit wand er sich an Aellin. "Geh in die Waschkammer und säubere dein Gesicht. Und nimm Nolan mit. Vater soll nicht sehen, dass ihr geweint habt. Rasch!"
04.08.2014 18:23
Oha...da hatte er also noch Anstand :D
Name E-Mail
www
 
Nachricht
 
Bitte trag das Ergebnis nebenstehen ein:

4 plus 5

=