The Blues
12.07.2013
Gassenpoet
Kommentare: 2
Die Dunkelheit war immer gleich. In ihr gab es keine Veränderungen, kein Schatten, keine Silhouette. Die Dunkelheit war umfassend, undurchdringlich und still. Die Dunkelheit war anmaßend. Sie beanspruchte jeden Gedanken, jede Bewegung und jeden Traum. Die Dunkelheit war Ordnung. Alles in ihr hatte seinen Platz, seine Bestimmung, erfüllte seinen Zweck… einen Zweck… Die Dunkelheit sollte ihn binden. Die Dunkelheit band ihn. Die Dunkelheit würde ihn bis in alle Ewigkeit binden, wenn…
Ja wenn nicht der Wille nach Macht ihn befreien würde.
In der Dunkelheit erklang ein Kratzen, so als würde Jemand ganz leise an die Tür seiner Kammer kratzen. Er konzentrierte sich darauf und aus dem Kratzen wurde ein Krächzen. Seine Aufmerksamkeit fokussierte sich darauf. Er ließ es den Kratzenden spüren und dieser antwortete.
„Herrr, die Firrma ist ausgeschaltet. Der Rrat will sich trreffen, doch die Hunde wissen noch nichts davon. Eurre drei mächtigen Dienerr haben ihrre Aufgabe zufrriedenstellend errfüllt.“
Er spürte, dass der Kratzende noch mehr Fragen hatte. Geduld war Überlegenheit.

„Herrr, eure Geschöpfe suchten auch nach mirr. Habe ich etwas nicht zu eurrerr Zufrriedenheit errfüllt?“

„WER?“ fragte er und seine Stimme war so laut in der Dunkelheit, dass sie ihm Schmerzen bereitete.

„Nun, Herrr… Das Rrattenwesen denke ich. Dies mit mehrr… Frreiheit im Geiste.“

„DU VERTRAUST RATTEN, FORKE?“


Er spürte wie diese Worte Wut und Scham bei dem Raben auslösten. Er genoss diese Gefühle, sog sie auf um sich an sie zu erinnern, wenn er wieder allein in der Dunkelheit wäre.

„Verrzeiht Herrr, wie konnte ich glauben… Ich werrde mich nun um den Rrat kümmerrn.“

Dann verschwand das Kratzen wieder. Fast war es so als könnte er Schatten in der Dunkelheit erkennen, wie Vorboten von etwas, dass er seit langer Zeit nicht mehr gespürt hatte. Sein Gefängnis wurde brüchig, die Tore wurden geöffnet, die Wächter erschlagen. Es gab so viele Verräter, die alle hofften etwas zu gewinnen. Die Menschheit würde bald ausgelöscht werden und die alten Mächte des Chaos würden wiedergeboren… Es würde keinen Unterschied mehr geben zwischen wild und gezähmt. Sie alle würden frei sein, frei von den Zwängen dieser Welt und er würde sie auf seinem Rücken in die letzte Schlacht führen. Die Gedanken weckten etwas in ihm und er wagte eine Bewegung. Seine Hornschuppen kratzten und klackten aufeinander, wie Fingernägel die einen Rhythmus auf einem bleichen Schädel trommelten. Er genoss das gute Gefühl sich zu bewegen. Bald… bald würde er wieder fliegen…

*

„Es ist eine so unglaubliche Schweinerei, die sie mir hier auftischen Graham, dass ich es kaum glauben kann! Sie wollen ernsthaft behaupten, dass sie einen Verfolgungswahn gespielt haben um sich in die Psychiatrie einweisen zu lassen, damit sie meine Akte lesen können, nachdem sie mein Buch gelesen haben? Was für ein kranker, perverser Irrer sind sie eigentlich? Und was noch viel wichtiger ist: Für wie dumm halten sie mich?“
... ging es Dr. Norris durch den Kopf. Aber sie sagte es nicht und kaute stattdessen auf ihrer Unterlippe. Vor zwei Tagen hätte sie solche Dinge ganz natürlich von sich gegeben, aber in diesen zwei Tagen hatte sich Einiges geändert.
Stille durchzog ihr Wohnzimmer. Nur die Lüftung des Laptops summte leise. Selbst Grahams Kopfhörer gaben keinen Ton von sich. Graham atmete laut ein und wieder aus.
„Also gut, Graham…“ begann Sie und die folgenden Sekunden waren wieder von Stille geprägt. Die beiden blickten sich an und es schien als würden ihre Augen kommunizieren, aber ihre Lippen blieben geschlossen. Norris atmete tief durch.

„Was ist der Plan?“

„Nun, Doc….“ begann Graham. „… sie wissen nicht genau was hinter den Toren ist, oder? Ich meine… Sie haben eine Vorstellung Doc, aber sie wissen es nicht. Das ist wie bei R. Kelly. Der glaubt auch dass er fliegen kann, aber versucht es nicht. Ich will nicht so enden wir so ein Schmuse-Soul-Fuzzi.“

Norris bedachte etwas verwirrt Grahams Worte. Sie konnte sich noch immer nicht an seine bildliche Gossensprache gewöhnen. „Und wie wollen wir das anstellen?“

"Nun, Doc… wir könnten einfach zu der Stelle hingehen wo die Katzen das erste mal aufgetaucht sind, oder? Ich meine… Wir könnten uns dort umsehen. Vielleicht entdecken wir was?“
Es folgten gut fünf Minuten Stille bis in denen nichts geschah, außer dass geatmet wurde. In einer solchen Stille werden alle Geräusche verstärkt. Atmen, Räuspern, Husten, das Ticken einer Uhr… Norris überlegte was alles schief gehen konnte. Wenn die Katzen in solchen Strukturen lebten, wie sie glaubte, mit dem Zweck diese Tore zu bewachen, dann würden sie Menschen nicht einfach so herumlaufen lassen. Aber Graham hatte recht. Warum das alles? Welche Welten wurden bewacht? Was hatte es mit den Monstern auf sich? Welche Mächte waren am Werk? Dann nickte Norris.

„Also gut, Graham. Ich suche nur ein paar Schuhe.“

Sie erhob sich und ging zu ihrem Wandschrank um ihre Laufschuhe zu suchen, während Graham langsam den Laptop einpackte. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass sie heute noch sehr schnell würde laufen müssen…
Als sie hinaus auf die Straße gingen schob eine offensichtlich obdachlose Frau einen Einkaufswagen vor sich her über den Gehweg. In dieser Gegend war es ein seltener Anblick. Während sie zur nächsten Straßenbahnstation gingen, blieb Norris kurz stehen und blickte noch einmal zu der Frau und ihrem Wagen. Es schien nichts auffälliges daran zu sein, aber Norris wurde das Gefühl nicht los, dass sie beobachtet wurde. Nicht von der Frau… sondern von dem Wagen.
13.07.2013 16:41
Es nimmt Fahrt auf. Gefällt mir sehr gut.
15.07.2013 22:01
Eklige Fieslinge und Helden wider Willen! Yay!
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