The Blues
17.11.2012
Momper
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„Du kannst jetzt beginnen, Jüngerer.“, hörte Meek die tiefe Stimme von Siam durch die Nacht fließen wie dunklen Rauch. Es war irgendwie komisch, mit Siam alleine zu sein. Aber der Ältere hatte ihm noch eine weitere Lehrstunde angeboten. Und kein Mitglied des Eisenbuchstammes lehnte Siams Angebote ab. Meek warf dem Älteren einen scheuen Blick zu und richtete seine Aufmerksamkeit dann wieder auf seine bevorstehende Aufgabe. Dann setzte er eine kleine Pfote vor die nächste und ging los.
Der erste Teil des Parcours war leicht. Balancieren konnte Meek immer schon besonders gut. Besser als die meisten Älteren in diesem Alter, hatte Fizzler gesagt. Und auch wenn die meisten anderen der Familie Fizzler behandelten, als wäre er ein bisschen wertloser als sie, glaubte Meek ihm jedes Wort. Um ehrlich zu sein mochte Meek den Älteren mit dem verfilzten Fell sogar ziemlich gern.
Vielleicht hat er mich gemacht.
Meek war der einzige aus Sidis Sommerwurf, der überlebt hatte. Aber es brauchte immer auch noch ein Männchen dazu. Das hatte Meek schon begriffen. Und vielleicht war es ja Fizzler. Meek mochte den Gedanken.

Siam hatte dem Jüngeren eine Weile nachgeblickt. Und als er sicher war, dass er außer Hörweite war, gab er ein leises Fauchen von sich. Railegh, Nosri und Trench erschienen an seiner Seite.
„Geht außen herum und besetzt die Ausgänge für den Fall, dass der Jüngere tatsächlich alle Hindernisse überwindet. Falls das passiert...“
Er musste nicht mehr sagen. Die drei anderen hatten verstanden und setzten sich in Bewegung.

Das Brett wippte nicht einmal unter Meeks Gewicht. Siam hatte gesagt, das hier sei ein Parcours, den jedes Mitglied des Eisenbruchstammes vollführen müsse, um die Geschicklichkeit zu trainieren. Meek würde dem Älteren zeigen, dass er diese Aufgabe bewältigen konnte. Er konzentrierte sich.
Er fand weitere Bretter, die die Dächer wie kleine Brücken miteinander verbanden. Manchmal fand er nur abgeknickte Drahtgestelle, die hier und da über den Dächern verteilt waren. Und manchmal musste er einen tiefen Abgrund einfach überspringen.
Gerade war er auf ein weiteres Brett gesprungen, als es mit einem Geräusch, das klang, als würde etwas Nasses zerrissen werden, unter seinem Gewicht nachgab. Meek versenkte die kurzen, gebogenen Krallen der Vorderpfoten in das Holz und stellte fest, dass es so weich wie schlecht gewordenes Fleisch war. Während die hintere Hälfte des Brettes in die Tiefe fiel, ragte die vordere Hälfte, an der er noch hing, schräg von dem Dach herunter, auf das er gelangen wollte. Einen grauenhaften Moment lang stellte er fest, das auch dieser Teil der kleinen Brücke allmählich nachgab und ihn unweigerlich in die Tiefe reißen würde, als sich zuerst zwei Pfoten und dann das Gesicht des Älteren Fizzler über den Rand des Daches schoben. Der Ältere langte tief nach unten und versenkte seine Krallen schmerzhaft in Meeks Fleisch.
„Zieh Dich an mir hoch, Kleiner.“, fauchte der Ältere angestrengt.
Meek löste eine Pfote aus dem nassen Holz und krallte in das Nackenfell des anderen. Fizzler verzog das Gesicht. Dann versenkte Meek die zweite Kralle und zog sich hoch. Als er weit genug gekommen war, benutzte er auch noch die Hinterbeine, um Halt in Fizzlers Fell zu finden.
„Scharfe Krallen für so einen Knirps!“, presste Fizzler hervor.
Als Meek auf dem Dach angekommen war, suchte er sich einen sicheren Halt. Die braunen Platten, die hier überall die Dächer bedeckten, hatten genügend Zwischenräume. Dann drehte er sich um und versuchte nun seinerseits, Fizzler wieder aufs Dach zu helfen.
Die Angriff kam überraschend und von drei Seiten. Railegh, Nosri und Trench sprangen lautlos heran. Railegh und Trench warfen sich auf Fizzler. Nosri rang Meek problemlos zu Boden und öffnete ihr Maul so weit, dass ihre Fänge zu sehen waren. Meek war auf den Rücken gedreht. Er mochte das nicht, und irgendwie machte es ihn wütend. Er war sich nicht sicher, woher er den Mut nahm, als er der Älteren die Krallen beider Pfoten in die Seiten des Gesichtes rammte und ihr drohendes Fauchen in einen Schmerzensschrei verwandelte. Dann verbiss sich Fizzler in ihrem Nacken und zog sie von Meek herunter.
„Lauf, Kleiner. Komm nicht wieder!“, brachte Fizzler hervor und spuckte ein Stück von Nosris Fell aus, bevor Siams Kinder sich gebündelt auf ihn stürzten.
Meek wollte kämpfen. Fizzler war sein Freund. Aber der Ältere hatte auch gesagt, dass er weggehen sollte. Der Jüngere zögerte einen Moment zu lange. Fizzler versetzte den Jungen von Siam harte Schläge, achtete dabei aber nicht genug auf seinen Halt und war von einem Moment auf den nächsten und ohne jedes Geräusch vom Dach verschwunden.
Railegh, Nosri und Trench wandten sich beinahe zeitgleich zu Meek um.
Und Meek rannnte.

Jokers Muskeln brannten. Er hatte keine Ahnung, wie lange er jetzt schon gelaufen war. Aber er spürte, dass es ihn noch immer verfolgte. Joker war kein Feigling. Aber Joker war auch nicht dumm. Er wusste, was man über seine Art sagte. Loyal bis in den Tod. Verdammt, ja! Er würde zweifelsohne und freudig sein Leben geben für etwas, das zu beschützen er versprochen hatte. Aber das hier war zu groß für einen einzelnen Wächter. Dieser Geruch war einzigartig. Er würde ihn problemlos unter tausenden wiederfinden. Er würde die Alphas aller Rudel dazu bringen, als riesige, kläffende Meute zurückzukehren und dieses... Ding... bis in den hintersten Winkel der Welt jagen und es dann zur Strecke bringen. Würde es ihn jetzt erwischen und töten, dann gäbe es niemanden, der die anderen warnen könnte. Sollten sie ihn also Feigling nennen, wenn sie wollten, aber das hier war sogar wichtiger als sein Ruf.
Er hatte den Stadtrand erreicht. Und dann plötzlich fiel irgendwo links von ihm etwas auf den Boden. Schon wieder eine Katze. Eine kleine. Sie war umgeben vom berauschenden Geruch nach Angst. Wieder ein Trick?
Die kleine Katze rappelte sich benommen auf und wollte wohl ihren Weg fortsetzen, aber als sie die sehnige Gestalt von Joker erblickte, bliebt sie fauchend stehen. In diesem Augenblick landeten drei weitere, ausgewachsene Katzen hinter ihr. Joker konnte Blut an ihnen riechen. Unbeirrt setzten sie... Moment mal... sie setzten der kleineren Katze nach, die, jetzt völlig verwirrt, zwischen Joker und ihren Verfolgern hin und her blickte. Dann erst nahmen die drei größeren Katzen den Hund wahr. Und für einen Moment verlor die Welt ihre Dynamik.
„Das ist nicht Dein Gebiet, Kläffer! Verschwinde!“, sagte eine der größeren Katzen – ein Männchen - und hob in einer drohenden Geste die rechte Klaue.
Joker ließ ein knappes und tiefes Kläffen hören. „Ist das wieder ein Trick, Schnurrer? Ich weiß ja, dass Ihr alle selbstverliebte, kranke Bastarde seid, aber macht Ihr jetzt schon Jagd auf Eure Jungen?“
Noch ehe eine der Katzen antworten konnte, hörten sie alle ein brechendes, hölzernes Geräusch aus der Richtung, aus der Joker gekommen war. Das ließ selbst die drei größeren Katzen die Ohren anlegen. Joker machte Anstalten, den Lauf wieder aufzunehmen.
„Euer Gebiet, Euer Problem. Wir machen das wie immer. Ihr macht den Ärger, und wir biegen dann wieder alles gerade.“, knurrte er und nahm Geschwindigkeit auf.
„Nimm mich mit.“, hörte er da die kindliche Stimme der kleinen Katze. Und er konnte den deutlichen, angsterfüllten Unterton wahrnehmen.
„Warum auch immer sie Dich verfolgen, Kleiner, das ist nicht mein Problem.“, sagte er, ohne langsamer zu werden.
„Ich kann Dir alles über die Tore sagen.“, antwortete die kleine Katze und rannte ebenfalls los, ohne auch nur darauf hoffen zu können, ihn einzuholen.
„Das wagst Du nicht, Jüngerer!“, knurrte eine der anderen Katzen, „Wenn Du jetzt mit ihm mitgehst und unsere Geheimnisse verrätst, wirst Du aus dem Stamm verstoßen und nie wiederkehren.“
Joker wurde langsamer und bliebt schließlich sogar noch einmal stehen.
„Sie wollen mich töten. Sie haben Fizzler getötet.“, sagte die kleine Katze schnaufend.
„Ich habe keine Ahnung, wovon Du sprichst, Schnurrer.“, antwortete Joker und warf einen Blick zurück in die Richtung, aus der er gekommen war, „Ich werde wissen, wenn Du mich belügst.“, log er. Dann, als die kleine Katze nah genug heran gekommen war, schnappte er sie am Nackenfell, hob sie hoch und rannte.
Und hinter ihm brach das Chaos aus.
18.11.2012 00:41
Ah! Cool!
19.11.2012 19:49
Fizzler! Why? :(
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