Fiona de Voine
29.06.2015
Sonnata
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Das warme goldene Licht der Kerzen, gedämft hinter Zierblenden aus Papier und gefärbtem Leder, verlieh der Haut einen sanften rosigen Schimmer. Aus dem Nebenraum drangen die angenehm ruhevollen perlenden Klänge einer Harfe. Neben Fiona auf dem kleinen Nachttisch stand ein bereits halb geleerter Kelch mit Wein neben der Karaffe, ebenso wie auf seiner Seite. Fiona trug ein Nachthemd, das geziemte sich so für eine Kaiserin, hatte man ihr gesagt, genauso wie auch er teilweise bekleidet war. Das duftende Bettzeug floss in üppigen Wellen um sie herum wie Wasser.
Sie saßen dicht beieinander auf dem Bett, einander zugewandt. Fiona hatte ihre Beine angewinkelt, das Hemd war ihr bis über die Oberschenkel hochgerutscht, und sie küssten sich. Ihre Hand strich zärtlich über seine Wange, die dank Lady Cara nun makellos gesund aussah. Lady Cara aus den Häusern Carnaby und Trevelyan, Herzogin von Weiden, hatte es tatsächlich geschafft, den Kaiser des Mittelreiches zu heilen, was allerdings nur einem sehr kleinen Kreis von Eingeweihten bekannt war. Es gab sogar genug Gründe, zu glauben, daß auch der Fluch von ihm genommen war, aber sein Verhalten war leider nicht so einfach zu korrigieren. Wer mochte es ihm verdenken, hatte er doch so viel Zeit einsam und isoliert in diesem Turm verbringen müssen. Seine Schwester war die Einzige, die auch in seinen Trotzphasen und Wutausbrüchen immer noch zu ihm durchdringen und ihn beruhigen konnte. Deshalb saß sie auch nur ein paar Schritte weit entfernt vom Bett hinter einem Paravent und versuchte, sich so still zu verhalten, daß die beiden vergessen mochten, daß sie dort war. Ihre Anwesenheit war eine reine Vorsichtsmaßnahme.
Seit ihrer Hochzeitsnacht vor drei Wochen versuchten sie nun, diese auch zu vollziehen, aber jedes Mal gab es irgendetwas, das sie unterbrach.
Nur gut, daß Tess Fiona den Trick mit dem Blut auf dem Laken erklärt hatte, so war der Hofstaat und das Volk vorerst zufrieden gestellt und glaubte an einen baldigen Erben.
Fiona hatte Tess auch noch für andere Dinge um Rat und Hilfe gebeten.
Sie war ohnehin schon nervös genug, sich mit diesem schwierigen jungen Mann in dieser Situation zu befinden und sie war dankbar für die Hinweise, die Tess ihr gegeben hatte. Und doch war es mit ihm natürlich alles etwas anders.
Mit einem lauten verärgerten Fauchen sprang er jetzt plötzlich mit einem Satz aus dem Bett und stampfte wutentbrannt aus dem Schlafzimmer. Die kleine Seitentür in den angrenzenden Raum hatte er unbeachtet offen stehen gelassen.
Polternd fiel der Stuhl auf den Boden, als seine Schwester hastig aufstand und ihm nacheilte.
"Carissio! Warte doch..."
Mit einem Knall schloss sich die Tür hinter ihr und Fiona ließ sich in die Kissen zurückfallen.
Er hatte sie aus Versehen gekniffen und sie hatte leise vor Schmerz nach Luft geschnappt. Hätte sie sich nur auf die Zunge gebissen!
Immerhin waren sie schon deutlich weiter gekommen als beim letzten Mal.
Vermutlich brauchte er jetzt eine Weile, um seinen Zorn wieder abzustreifen und dann noch eine Weile, um seine Scham über seinen Wutausbruch so weit zu verlieren, daß er ihr dann wieder schüchtern am nächsten Morgen beim Frühstück versicherte, wie Leid es ihm täte, ihr weh getan zu haben und daß er jetzt kein Monster mehr sei.
Sie würde ihm zulächeln und seine Hand nehmen und ihm versichern, daß es im Grunde nicht weh getan hätte und daß es schon längst vergeben und vergessen sei.
Und wieder würden sie von vorn anfangen.
So absonderlich es erscheinen mochte, daß der Kaiser und sie von seiner Schwester in einem so heiklen Moment überwacht wurden, Fiona war dankbar dafür. Am Anfang war sie mit ihm allein gewesen und auf seine Wutausbrüche nicht vorbereitet, viel weniger noch konnte sie damit umgehen. Dieser Zorn richtete sich nicht gegen sie und er fügte ihr niemals Schaden zu, aber die Heftigkeit seiner Ausbrüche erschreckten sie. Sie hatte versprochen, ihm eine liebende und treue Ehefrau zu sein, und sie hatte vor, dieses Versprechen zu erfüllen, aber es war eben nicht einfach. Seine Schwester hatte ihr über seine Zeit im Turm erzählt und wie es für ihn gewesen sein mochte, was sie getan hatte, um ihm zu helfen so gut es ging. Sie war es auch gewesen, die dann vorgeschlagen hatte im Zimmer zu bleiben, um im Ernstfall beruhigend auf ihn einwirken zu können. Fiona hatte dieses Angebot dankbar angenommen und auch Carissio schien es zu begrüßen.
Er erwartete sehr viel von sich selbst. Zu viel. Und jedesmal, wenn er einen Fehler machte, überkam ihn dieser unbändige Zorn. Alles war so schwierig. Und allmählich lief ihr die Zeit davon. Hätte sie noch Geschwister, dann läge der Druck nicht allein auf ihr. Hätte sie doch einen Bruder, der auf dem Thron sitzen konnte! Aber ihr Bruder war tot.
Fiona nahm den Weinkelch vom Nachttisch, leerte ihn und lehnte sich wieder in die Kissen zurück. Das raschelnde Bettzeug klang sehr laut in dieser plötzlichen Stille und ihr fiel auf, daß die Musiker im anderen Zimmer aufgehört hatten zu spielen. Wofür sollten sie auch weiter spielen. Fiona nahm die Karaffe und füllte ihren Weinkelch erneut.
Sie stand auf, ging barfuß im Nachthemd ein paar Schritte zum Fenster, um hinaus zu schauen. Obwohl es Nacht war und auf der anderen Seite der Fensterscheibe nichts als Schwärze zu sehen war, glaubte sie eine Bewegung auszumachen. Mit gerunzelter Stirn näherte sie sich dem kühlen Glas, um besser zu sehen. Die schwarzen Schemen verdichteten sich und ein großer schwarzer Vogel landete draußen auf der Fensterbank. Sie zuckte zusammen und schrie vor Schreck leise auf. Dann erkannte sie im verzerrten Spiegelbild des Fensterglases eine dunkle Gestalt neben sich. Sie fuhr herum und war zu überrascht um zu schreien. Der unheimliche Mann mit dem Kutschermantel und dem schwarzen Zylinder vollführte die Parodie einer höfischen Verbeugung und seine Stimme knirschte:
"Eure Majestät..."
Entgeistert erwiderte Fiona: "Ihr! Wie seid ihr hier herein gekommen?"
Sein Grinsen erfüllte sie mit Widerwillen. Es hatte etwas Unnatürliches. Die Mundwinkel schienen sich auf groteske Weise viel zu breit bis fast unter die Ohren zu ziehen.
"Ich bin doch immer gern für die kaiserliche Familie da. Wie geht es denn dem frisch vermählten Paar? Sind denn die Flitterwochen schon um?"
"Verschwindet!"
"Oh..." die gespielte Enttäuschung verzog sein Gesicht zu einer Grimasse. "Ich bin doch gerade erst angekommen und wir haben noch gar nicht geplaudert."
"Ich möchte nicht mit euch plaudern. Lasst mich allein."
"Na na. Euch allein lassen? So wie euer Gatte?" Er schnalzte missbilligend mit der Zunge und schüttelte den Kopf. "Ich dachte ich könnte euch vielmehr ein nettes Angebot machen. Ich weiß doch, daß das ganze Reich im Moment auf euren Schultern lastet. Und auf euren Bauch glotzt."
Er grinste wieder.
Fiona bedachte ihn mit einem strengen Blick. "Ihr geht zu weit, Kutscher."
"Aber ich bin einer der wenigen, die euch wirklich helfen können. Was ist es, das ihr wollt?
Einen Erben? Wollt ihr eure totgeglaubte Familie zurück haben? Oder... einen neuen... einen anderen und besseren Ehemann? Was es auch sei..."
"Schweigt!"
Er lachte rau. "Aber ihr wißt doch, daß ich euch helfen kann? Nein? Ich bin vielleicht sogar der einzige..." hier begann er, sich ihr zu nähern, "den es interessiert. Na? Seid ihr bereit für einem kleinen Handel? Mein Angebot steht noch. Ich will immernoch die Hexe."
"Stehen bleiben!"
Er blieb stehen. "Ich bin aber bereit, euch vorher einen Wunsch zu erfüllen. Ich habe euch immer ganz besonders gemocht. Seht es als ein Zeichen meiner Freundschaft und Verehrung für euch." Er verneigte sich wieder.
Fiona wich vor ihm zurück. Sie hob den Kelch, um etwas zu trinken und ließ ihn gleich darauf wieder sinken. Sie durfte jetzt auf keinen Fall mehr Wein trinken! Ihr Kopf mußte klar bleiben, denn die Anziehungskraft, die sein Angebot auf sie ausübte, war stärker, als sie vermutet hatte. Er verfügte über Möglichkeiten, die niemand sonst zu bieten hatte.
Energisch stellte sie den Kelch auf den Tisch und wandte ihm den Rücken zu.
"Geht jetzt."
"Hm. Wenn ihr es denn so unbedingt wünscht werde ich euch verlassen. Ihr werdet über mein Angebot nachdenken." Es klang nicht nach einer Aufforderung, vielmehr nach einer Feststellung, erkannte Fiona beunruhigt. Es raschelte hinter ihr und als sie sich umdrehte sah sie wie er ein Stück Pergament und eine schwarze Feder auf den Tisch legte.
Mit einem verschlagenen Lächeln registrierte er ihr Interesse.
"Habt ihr euch eigentlich nie gefragt, was die Flügel über der Burg in eurem Wappen zu bedeuten haben?"
Entrüstet ballte Fiona die Fäuste: "Ihr lügt!"  
"Solltet ihr mir ein Angebot machen wollen, oder einen Wunsch äußern, dann schreibt mir."
Er grinste noch einmal schief, deutete eine Verbeugung an und zog sich in eine dunkle Zimmerecke zurück, wo er mit den Schatten verschmolz und nicht mehr aufzufinden war, als Fiona mit einer Lampe die Dunkelheit vertrieb.
Das Pergament roch modrig und staubig und an der Schreibspitze der Feder klebte eine rote verkrustete Flüssigkeit. Sie hatte keinen Zweifel daran, daß sie damit ganze Schriftrollen füllen konnte, ohne die Feder auch nur ein einziges Mal in Tinte zu tauchen.
Versonnen strich sie über den weichen Rand der Federfahne und betrachtete sie im Lichtschein. Wie wunderschön der Spiegelglanz auf dem Pechschwarz tanzte! Das Spiel des hellen Lichtscheins auf dem Schwarz zog sie vollkommen in seinen Bann. Wie von selbst glitt die Feder in ihre rechte Hand und saß wie angegossen darin, um zu schreiben. Die Spitze der Feder in ihrer Hand näherte sich dem Papier und sie war aufs äußerste gespannt, ob sie tatsächlich mit Blut schreiben würde. Nur ein Strich, dann wäre ihre Neugier befriedigt. Feine Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Stirn, obwohl sie fröstelte.
Jeder Buchstabe begann mit einem ersten Strich. Und jeder Satz mit einem Buchstaben.
Die Federspitze berührte das Papier, wanderte wie von selbst mit einem leisen Kratzen darüber und hinterließ eine Linie aus lebendigem Rot, ein Farbton, der ein glückliches, entrücktes Lächeln auf Fionas Gesicht zauberte. Ihre Hand führte die Feder immer weiter, ohne daß Fiona darüber nachdachte. Die Form, die diese Linie bekam, erinnerte sie an irgendetwas. Etwas, an das sie sich erinnern musste. Etwas, das wichtig war, besonders jetzt. Etwas, das sie zur Vorsicht mahnte und Wachrütteln wollte. Etwas Vertrautes. Die Hand mit der Feder zitterte und hob sich. Die Linie war unterbrochen.
Fiona schaute immernoch wie verzaubert auf das Pergament. Die Feder fiel ihr aus der Hand und der Nebel in ihrem Kopf lichtete sich endlich.
Sie schnappte nach Luft, als hätte man sie geohrfeigt, stand auf und wich zurück, aber selbst von hier hinten konnte sie die Schlangenlinie deutlich sehen, die sie - oder jemand durch ihre Hand - gemalt hatte.


der_nette_Kutscher_2.jpg

Rowan fuckin' Trevelyan (Gast)
29.06.2015 23:26
Der schon wieder? Hab ich den nicht umgelegt? Mann, Mann, Mann...
Damián (Gast)
29.06.2015 23:55
Ähm... Fiona. Du erinnerst dich hoffentlich an das Seepferdchenamulett, dass ich dir geschenkt hab? Oder hast du, jetzt wo du Kaiserin bist so viel tolleren Schmuck? Ich meine ja nur, vielleicht könnte es helfen?
30.06.2015 17:31
Interessante Aussichten...sehr schön geschrieben :)
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