Wie kleine Stecknadeln prangen die Sterne an der dunklen Tapete über der kleinen Stadt zwischen den Wäldern. Stille Beobachter einer stillen Szenerie. Ganz leise spielt der Wind sein filigranes Lied auf den Blättern der Bäume, hier und da zupft ein Fuchs eine Note in die Melodie hinein, während er sich durch die noch fast kahlen Büsche am Waldboden raschelt. Das Lied trägt sich weiter, über ein paar Waldwege bis hin zu einem weiten Feld, hinter dem die ersten Häuser liegen. Die letzten Laubblätter des vergangenen Herbstes streichen ihre Akkorde über den gefrorenen, kargen Feldboden hin zu der Stadt bis sie sich in der Weite des flachen Landes verlieren.
Ein unsicheres Trommeln setzt ein, ein Instrument, das lang nicht mehr gespielt wurde. Es sind Hufenschritte auf hartem Asphalt, ungeübt, fast ein bisschen verlernt nach all den Jahren. Doch je länger das Trommeln anhält, desto sicherer werden die Schläge und schneller der Rhythmus.
Klack. Klack. Klacklacklacklack.
Die Schläge verlieren sich in ihrem eigenen Echo auf der leeren Straße am Rande der Stadt, erweitern den Rhythmus, so wie früher, so wie es einst ganz selbstverständlich war. Fast scheint es, als würde der Wind seinem Spiel ein kleines Crescendo verleihen, als würde das Temperament des Liedes anschwellen.
Ein Heulen. Ein tiefes, sehnsuchtsvolles Aufheulen und der peitschende Rhythmus von Zugwind, der auf das Trommeln der Hufe zuzurasen scheint, als würde es sich mit ihm vereinen wollen. Immer schneller, immer lauter, immer unaufhaltsamer brausen die zwei Stimmen aufeinander zu wie alte Freunde nach viel zu langer Zeit. Dann – Stille, hart und plötzlich wie ein Donnern. Das Lied scheint zu pausieren, Luft zu holen für das, was kommt, der erwachende Tanz der Gleichartigen, die atemlose Melodie einer Nacht unter sternenbehangener Tapete – die erste von vielen, so vielen, nach so langer Zeit.
Ein Lachen unterbricht die Stille, ein wildes, ungezügeltes Lachen und das Reißen von Metall. Der Auftakt für das nun wieder einsetzende Lied der Blätter, lauter und ungestümer, fordernder als zuvor im stillen Wald. Erneut heult die Maschine auf und ächzt unter der Last dreier Stimmen, die ihr brausendes Stück durch die Stadt tragen, die leeren Zeilen stummer Musiker mit ihren Noten füllen und zu einem gewaltigen Konzert heranwachsen lassen.
Tänzer erscheinen, die sich wild zu dem neu erwachten Lied drehen und winden, Flammen lecken an Bäumen empor und färben die Melodie in ungestümen, verzerrten Farben. Der grüne Rauch knisternder Pflanzen züngelt sich aus den Mündern der Musiker hinauf in den Himmel, das Geräusch von verschwitzter Haut auf Haut, Wind, der seine Stimme durch offenes Haar pfeift und dessen Duft mit sich nimmt. Das Reißen einer Gitarrensaite und einer weiteren, eine Melodie, die außer Kontrolle gerät und sich nun mit den Tänzern immer freier im Kreis dreht und dreht, die Liebenden und Flammen umspielt und mit dem Rauch in die Höhe steigt. Ein gebrochener, expressionistischer Rhythmus von stampfenden, wild tanzenden Hufen erschüttert das Lied und übertönt das nahezu lautlose, zaghafte Flüstern hinter schützendem Stein, eine Stimme, die nur selten jemals gehört wird und doch immer da ist, das Lied stets im Auge behält und ihre eigene, unsichtbare Melodie über die schmalen Lippen singt.
Und der Gedanke eines Geigenspiels, das sich klagend schön in das Trommeln und Reißen hineinwebt, den Klang des Liedes umtänzelt und umschmeichelt wie einen liebenden Gefährten und schließlich mit dem knisternden Rauch im blauen Himmel verhallt.
Das mächtige, unbeschreibliche Tutti trägt sich weit über die Dächer der Stadt und schwängert das friedliche Lied der Bäume im Wald mit seinem Leben, seiner Sündhaftigkeit und dem Erwachen, das schon seit dem ersten Takt den Dirigierstab führt.
Über all dem strahlen die Sterne unverändert an der endlos weiten Tapete der Nacht.
Und sie sind so wunderschön.