Rowan Trevelyan
03.08.2014
Momper
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Fionan lehnte sich in seinem Stuhl entspannt zurück und gestattete sich einen Schluck aus seinem Kelch. Rowan hatte bereits beim Hinsetzen einen Blick in den Becher seines Vaters geworfen und festgestellt, dass sich klares Wasser darin befand. Fionan trank nie während der Arbeit. Der Herzog von Hügeltrutz trank ohnehin nur selten etwas, das seine Sinne vernebelte, und selbst bei Feierlichkeiten war er gern derjenige, der im Gegensatz zu allen anderen einen klaren Kopf behielt. Gleichzeitig achtete er stets darauf, dass es immer einen Weinkrug in Griffweite gab, wenn man sich mit ihm zum Gespräch traf. Fionan Trevelyan war ein zuvorkommender Gastgeber, selbst hier, in den Räumen des Königs, in denen er selbst nur ein Gast war. Aber Rowan hatte von Ser Renard das Trinken gelernt. Ein Kelch würde ihn schon nicht so gläsern machen, dass sein Vater seine Gedanken lesen konnte. Er nahm einen weiteren Schluck des schweren Roten.
"Gewiss wird mein Sohn sich die alles erhelllende Erläuterung seiner Motive bis zum dramatischen Ende aufheben.", nahm Fionan das Gespräch wieder auf.
"Gewiss, Vater. Denn zunächst will ich Euch von der kraftzehrenden Reise erzählen, die wir hinter uns haben. Sonst wüsstet Ihr nicht, welche Strapazen die junge Lady auf sich nahm, um hierher zu kommen."
Fionan quittierte das mit einem Nicken, das Rowan aufforderte, fortzufahren.
"Nachdem die Burg der Carnabys auf besagte hinterhältige Weise eingenommen war, gelang es Inculta, dem Waffenmeister des Hauses, Milo und Wykka aus der Burg zu holen. Ich bot Lady Cara meinen Schutz an. Und da Katharina dank der vorangegangenen Suche noch bei uns war und kampfstark genug aussah, bot ich ihr eine zeitweilige Anstellung als Mietklinge an, um die junge Lady zu beschützen. Später fanden wir sogar den Mann wieder, mit dem sie zur Burg geritten war, einen Tulamiden namens Fabrizio. So hatte Cara mit Katharina und Inculta immerhin zwei Menschen, die sie seit Kindertagen kannte. Andererseits hätte sie ohnehin keine Wahl gehabt außer der, mit mir zu kommen oder sich zu offenbaren und mit dem Rest ihrer Familie in Gefangenschaft zu geraten. Eine Wahl, die keine war. Wir waren also zu siebt, als wir das Land von Baron Carnaby verließen."

Cara hasste es. Sie hasste das lange Reiten. Sie hasste das Schlafen im Zelt. Sie hasste es, unter freiem Himmel zu speisen, da es überhaupt nicht infrage kam, in Gasthäusern zu übernachten. Cara wurde gewiss längst gesucht. Und obwohl Rowan Wykka aufgetragen hatte, der Lady während der Reise als Magd zu Diensten zu stehen, schien jede Sekunde eine Qual für die junge Frau zu sein. Katharina, Fabrizio und Inculta nahmen die Strapazen mit der Gleichgültigkeit von Soldaten hin, deren Stiefel schon viel Staub geschluckt hatten. Milo und Wykka waren alte Leute, doch auch sie waren Reisen gewöhnt. Und auch wenn Rowan die letzten zehn Jahre am Königshof in Havena in Bequemlichkeit verbracht hatte und sich auch bessere Umstände vorstellen konnte, nahm ihn die Reise nicht so mit wie die junge Lady. Der Ritt nach Süden in den Krieg war zwar mehr als 12 Jahre her und Rowan war damals im Gegensatz zu heute ein kraftstrotzender Jungspund gewesen, aber zum einen hatten die langen Jahre der immer wieder stattfindenden Brautschauen ihn nie verlernen lassen, wie das Leben auf der Reise sich anfühlte, und zum anderen sah Rowan es als seine Aufgabe an, der Lady bestärkend zur Seite zu stehen. Das letzte, was sie jetzt brauchte, war jemand, der ebenfalls sein Unglück zu Schau trug. Rowan konnte sich vorstellen, wie sie sich fühlte nach den schrecklichen Ereignissen des Tages, der eigentlich einer der schönsten hätte werden sollen.
Sie hatten beschlossen, bedeckt zu reisen. Cara hatte nach langer Überzeugungsarbeit ein weniger prunkvolles Kleid von Katahrina angezogen. Sie hatte ihre Haare unter einer Kapuze versteckt. Eine Hose wollte sie dennoch nicht anziehen. Das bedeutete, dass sie nicht reiten konnte wie die anderen – und selbst Wykka trug Reitkleidung, wenn sie unterwegs war – und die Reise wurde allgemein etwas langsamer. Cara begründete das damit, dass sie nach wie vor eine Lady war und als solche keine Hosen trug. Keine Diskussion.
Und schließlich hatten sie den Scheidepunkt erreicht, an dem sie ihre weitere Vorgehensweise festlegen mussten. Die Straße gabelte sich vor ihnen.
Eine würde sie weiter nach Westen führen. Das war der Weg, den Rowan vorgeschlagen hatte. Er wollte Weiden so schnell wie möglich verlassen und Cara nach Hügeltrutz bringen, in die Obhut von Haus Trevelyan. Er hatte aber auch offen gestanden, dass er nicht wusste, wie Haus Trevelyan überhaupt zu den Entwicklungen stand und ob Herzog Fionan die junge Lady nicht in Ketten zurück bringen würde. Andererseits reifte ein Plan in Rowan heran, nach dessen erfolgreichem Abschluss Fionan, Cara und Rowan als Gewinner hervorgehen würden. Rowan war sich sicher, dass sein Vater die junge Lady um jeden Preis beschützen würde, hätte er erst einmal das Angebot gehört. Doch noch war nicht die Zeit, den Plan mit den anderen zu teilen, und darum war Caras Willen, nach Hügeltrutz zu reisen und sich einer möglichen Festnahme auszuliefern, nicht eben stark. Doch der Brief, dessen Teile sie endlich zusammengesetzt hatten, wies ohnehin nach Westen. Katharina hatte entdeckt (und nach einigem Zögern hatte sie es den anderen auch mitgeteilt), dass der Brief von ihrem Ehemann Rodrigo verfasst worden war und eine Intrige am Kaiserhof in Gareth andeutete. Zudem hatte Katharina gesagt, dass Rodrigo sich in Havena befand. Und zauberhafterweise lag Hügeltrutz auf dem Weg zwischen Weiden und Havena.
Der andere Weg führte nach Südosten und würde den Aufenthalt in Weiden noch verlängern. Caras Bruder, Lord Elias Carnaby, war einige Tage vor den Ereignissen zu Baron Gorland -  einem Handelspartner seines Vaters - gereist, um ein Geschäft abzuwickeln. Auf diese Weise war er ebenfalls der Festnahme durch Caylawn entkommen. Cara wollte ihren Bruder unbedingt treffen. Rowan hatte davon abgeraten. Elias Carnaby war der Erbe des Hauses. Gorland war ein Vasall von Caylawn und hatte keinen Grund, den jungen Lord nicht auszuliefern. Würde nun Cara, die letzte noch entflohene Carnaby, bei ihm auftauchen, dann könnte er seinem Lehnsherren gleich zwei mächtige Geschenke machen.
"Ihr müsst Euch nun entscheiden, Mylady.", drängte Rowan. "Ich empfehle weiterhin, Weiden zu verlassen und nach Westen zu reiten."
Cara atmete schwer. Ihr war bewusst, dass Rowan recht hatte.
"Ich kann Weiden nicht verlassen, ohne zu wissen, wie es meinem Bruder geht."
Sie hatte sich für den schweren Weg entschieden. Rowan seufzte.

"Und so kam Baron Gorland ins Spiel.", schloss Fionan.
Rowan nickte. "Immerhin hatte Lady Cara genügend Vernunft, um nicht selbst zu ihm zu gehen. Inculta und Katharina baten unter falschem Namen um Unterkunft bei Gorland. Tatsächlich erhielten sie das Gastrecht und kamen in die Gelegenheit, sich in der Nacht auf die Suche nach Lord Elias zu begeben."
Rowan beschloss, eine Pause einzufügen und wieder einen Schluck zu trinken.
"Und sie wurden fündig.", mutmaßte Fionan.
"Wurden sie nicht. Wie immer war alles viel komplizierter."

"Die Mittagsstunde ist nahe heran, Mylady.", fasste Rowan das Offensichtliche zusammen. Milo und Wykka hatten das Lager längst abgebaut. Rowan und Fabrizio hatten sich die Wache geteilt. Jetzt war es an Rowan, noch ein bisschen zu ruhen, während der Tulamide im Wald verschwunden war und dort die Straße im Auge behielt. Sie hatten gehofft, dass Katharina und Inculta spätestens im Morgengrauen zurückkehren würden. Der Plan sah vor, bis zum Mittag zu warten. Sollten die beiden bis dahin nicht aufgetaucht sein, musste davon ausgegangen werden, dass sie aufgeflogen und nun tot waren oder im Kerker saßen. In diesem Falle hatte Cara ihre Antwort, was die Loyalitätsverhältnisse von Gorland betraf. Dann hatte sie auch Gewissheit über das Schicksal ihres Bruders.
Katharina und Inculta waren nicht gekommen. Allen war klar, was das bedeutete, und so war es still auf der kleinen Lichtung, wenn man vom Rauschen des schweren Zeltstoffes und dem Klimpern der Metallteile und dem Knarren des Leders an den Pferden absah.
Cara erhob sich und versuchte dabei, so würdevoll wie nur möglich auszusehen, obgleich klar war, wie sie sich im Augenblick fühlen musste.
"Brechen wir auf und nehmen den Weg nach..."
Unvermittelt erklang das Rascheln der Blätter, als die Gestalt von Blaine zwischen den Bäumen hervortrat. Hinter ihm tauchten die anderen Söldner auf, die in Caylawns Diensten standen und denen die Gruppe um Lady Cara bereits einmal knapp entkommen war. In seiner rechten Hand hielt er den abgetrennten Kopf von Fabrizio. Mit einem dumpfen Poltern warf er ihn auf die Lichtung. Nur wenige Schritte von Rowan entfernt blieb er liegen.
Und plötzlich verschwanden alle Geräusche aus Rowans Wahrnehmung, als er sich, wie er es gelernt hatte, auf das Wesentliche fokussierte. Blaine. Der Söldner mit dem Stab. Eine Frau mit einer Axt. Ein Mann mit einem Schwert. Vier Gegner.
"Kommt hinter mich, Mylady."
Den Dolch warf er, den Griff voran, in die Richtung, in der er eben noch Milo gesehen hatte.
"Verteidige die Lady. Wenn es sein muss, mit Deinem Leben."
Ohne abzuwarten, ob der alte Diener den Befehl verstanden hatte, machte Rowan einen Schritt nach vorn. Mit geübten und unbewussten Bewegungen fuhr die linke Hand in die Schildgriffe, während die rechte das Langschwert aus der Scheide zog. Die drei namenlosen Söldner fächerten auf. Allein Blaine blieb stehen und lächelte.
Ariannah (Gast)
13.11.2014 20:53
So eine Reise ist ja auch hassenswert....*seufz*
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