Stinker rannte so schnell durch die Gassen der Stadt, wie er noch nie zuvor gerannt war. Er war stark, mächtig, größer als ein Mensch. Es war als wäre sein vergangenes Leben nur ein Traum. Es gab nur eine Sache, die nicht perfekt war. In seinem Innersten gab es eine Stimme die ihm zuflüsterte. Eine Stimme wie die Murinaes, aber anders, unharmonischer, wütender. Diese Stimme wusste viel über die Welt und seinen neuen Körper und brachte es ihm bei, durch ein ständiges Flüstern. Aber sie schien auch zu lernen. Zu lernen was es hieß eine Ratte zu sein, zu leben, zu atmen. Was auch immer sie war, eine Ratte war sie nicht.
Er wurde langsamer und sah die menschliche Gestalt an eine Häuserwand gelehnt. Fast hätte man ihn für einen Menschen halten können, doch seine roten Augen und seine Klauen verrieten ihn. Stinker knurrte und der Andere ließ sich auf seine Knie fallen und bot ihm die Kehle dar. Stinker kam näher und leckte darüber. So handelte er richtig, das hatte die Stimme ihm gesagt, und das spürte er auch. In der anderen Person schien es nur eine Stimme zu geben. Er überlegte, dass er auch so hätte enden können... als sich plötzlich ein Tentakel sich um seinen Kopf wand. Überrascht drehte Stinker sich herum, griff zu und zog es zu sich heran. Am Ende des Tentakels war eine Frau. Er blickte auf sie herab. Sie ließ ihr Tentakel auf den Boden gleiten und legte sich hin. Stinker ging zu ihr und in Ermangelung eines Tentakels strich er ihr mit der Hand über den Kopf. So handelte er richtig, das hatte die Stimme ihm gesagt, und das spürte er auch diesmal. Sie hob den Blick ihrer schwarzen, tiefen eingesunkenen Augen und er hörte die Stimme aus dem Körper der Frau in seinem Kopf. „Einer ... Freund … entkommen … gesehen.“ Stinker hielt Zwiesprache mit seiner Stimme. Ein Hund war also entkommen. „Egal!“ grollte er, sein Maul benutzend. „Müssen Menschen töten, nicht Freund oder Jäger! Sie wir töten später!“ Dies schien die Stimme in der Frau zu belustigen. Er drehte sich herum und lief die Straße hinunter, dann verfiel er in einen Trab und rannte schließlich mit riesigen Schritten. Die Beiden folgen ihm. Der Männliche bewegte sich so schnell, das ab und an Blut aus zerrissener Haut und Gelenken spritze, während seine Kleidung weiter zerriss. Die Weibliche schlang ihren Tentakel um eine Laterne, eine Ampel oder ein Fensterbrett und zog sich daran. Es schien als würde sie fliegen. Jeder schien diesen Streifzug durch die Gasse zu genießen. Es war als wären diese drei aus einem Koma erwacht und nun, wo sie erwacht waren, wollten sie nie mehr still liegen.
*
Dr. Norris fuhr ihr Auto durch die Stadt. „Wir können nicht zu mir.“ sagte sie. „Mal abgesehen davon, das ich sie überhaupt nicht kenne und sie unbedingt in meine Wohnung möchten, was sie, ganz nebenbei, noch suspekter macht, als sie ohnehin schon sind, habe ich nicht aufgeräumt. Und nehmen sie bitte diesen Joint aus ihrem Mund, dies ist ein Nichtraucherauto.“ Dieser Typ, Graham hieß er, war so ziemlich das Letzte, was sie sich in ihrem Leben noch gebraucht hatte. So ein verkappter Kiffer-Computer-Hacker der sicher mehr Neurosen hatte als sie Bücher verkauft... was nicht schwer war... wie sie sich schmerzlich erinnerte. Das machte sie noch wütender. Sie blickte hinüber zu dem sichtlich genervten Beifahrer, und wollte ihm noch ein paar Takte sagen... dass das Buch Blödsinn war, dass sie gelogen hatte, dass sie krank war... all die Lügen, die sie in der Klinik auswendig gelernt hatte. Ihr Beifahrer packte die selbstgedrehte Zigarette gerade genervt beiseite, als er die Augen aufriss. „HALT!“ brüllte er. Sie blickte nach vorn und trat mit beiden Füßen auf die Bremse. Graham versuchte sich am Armaturenbrett festzuhalten. Das Auto schlingerte und blieb dann stehen. Auf das Auto zu rannte eine fast drei Meter hohe Gestalt aus Fell und Muskeln. Mit jedem Schritt schien sie mehrere Meter näher zu fliegen. Dann traf ein Fuß mitten auf die Motorhaube, Es krachte, ein Reifen platze, die Stoßstange des Autos grub sich in den Asphalt, die Frontscheibe verwandelte sich in ein Mosaik, während die Scheinwerfer zerbarsten. Der hintere Teil des Autos wurde angehoben. Dann sprang die Bestie ab und die Stoßdämpfer ließen das Auto heftig schaukeln. Zwei weitere Gestalten bewegten sich fast ebenso schnell an dem Auto vorbei und schienen dem Monster zu folgen, welches in zwanzig Metern Entfernung wieder landete und weiterlief. Die folgende Stille wurde nur von weit entferntem Splittern von Glas durchbrochen.
Dann fingen Dr. Norris und Graham fast zeitgleich an zu schreien. Erst nach einer geraumen Zeit hörte Graham als erstes auf... danach Norris.
Mühsam stiegen beide aus dem Wrack und betrachteten entsetzt die Überreste des Autos. Graham schien zuerst die Fassung wiederzufinden. Er steckte sich, immer noch zittrig, eine selbstgedrehte Zigarette an, sog den Rauch tief ein und blickte dann zu Norris. Diese nahm ihm genauso zitternd die Zigarette aus der Hand und sog ebenfalls den Rauch tief ein und wieder aus. Dann blickte sie zu Graham. „Wir gehen zu mir.“
|