Thomas „Tom“ Jung war kein sehr netter Mann. Eigentlich war er ein ziemliches Arschloch, was sich in Jähzorn, Gewaltbereitschaft und schmutzigem Geld widerspiegelte. Seine Lieblingsausrede, warum er genau so geworden ist, war sein Vater. Der war genauso jähzornig gewesen. Am Anfang war es die Hand, dann irgendwann der Gürtel und am Ende war es ein Schürhaken. Die Ironie dabei war, dass es in der Plattenbauwohnung in der die Familie lebte keinen Ofen gab, aber einen Schürhaken, doch Ironie war ihm fremd. Er war 17 Jahre alt gewesen als er seinem Vater den Schürhaken abnahm und ihn damit so lange schlug, bis dessen Gehirn über die Raufasertapete spritze. Dann schlug er weiter... Das war das letzte mal dass er seine Mutter sah. Auf ihrem Gesicht spiegelten sich Freude, Angst und Unglaube wieder, zumindest auf der rechten Seite des Gesichtes, die linke Seite war gelähmt. Die Polizei gab ihm die Schuld daran. Aber ein Psychologe machte ihn zum Opfer. Dann kam der Kinderknast, das Heim und er lernte Leute kennen, bei denen seine Zähigkeit einen Marktwert hatte. Er verprügelte und wurde verprügelt, saß im Knast, hatte eigene Nutten auf der Straße und wieder nicht. Nun war er 42 Jahre alt und lief durch die dunklen Straßen der Stadt. Er rauchte eine Zigarette. Finanzkriese, Papstbesuche... Nutten waren kaum noch ein Geschäft und für Schutzgeld wurde er langsam zu alt. Es wurde wohl Zeit, dass er zum Sozialamt gehen müsste... Harz vier nannten die Leute es... Nun ging er aber erst einmal zu der alten Garage in dem kaum noch bewohnten Viertel nahe der Gleise. Dort hatte er noch ein paar Tausender gebunkert und nachdem er die siebzehnjährige Kroatin vor den Augen der anderen Nutten erschossen hatte, brauchte er eine neue Waffe. Er war sich nicht sicher ob Willie ihn wieder anheuern würde. Der hatte ihn beurlaubt, sagte „Tom, mach mal Pause. Du bist überarbeitet.“ aber hinter vorgehaltener Hand sagten die Anderen: „Tom ist fertig! Hat der süß`n Brünett`n ins Gesicht geschossen! Der weiß nich` mehr wann Schluß is`.“ Es muss nun mal auch Leute wie ihn geben, dachte er sich, Leute fürs Grobe, Leute die Nutten dazu veranlassten dem Freier einen zu blasen, auch wenn der ein wenig unsanfter war. „Außerdem war sie eh hässlich...“ dachte Tom bei sich, und wischte in Gedanken ihr Gesicht beiseite. Aber er konnte doch nicht verhindern sich vorzustellen wie sein Vater sie verprügelte... wie seine Mutter... wie ihn... Sein Schritt beschleunigte sich... ohne Knarre fühlte er sich nackt.
Das Knurren kam unvermittelt aus einer Seitengasse. Tom blieb verdutzt stehen. Vielleicht schon wieder so ein verdammter Köter. So einen könnte er jetzt gut gebrauchen! So ein wenig Dampf ablassen würde ihm sicher helfen ruhiger zu werden. Er griff zu einer achtlos an die Wand gelehnten Zaunlatte, welche aus einem leeren Teereimer ragte. In seiner Hand fühlte sie sich gut an. Wie ein Schürhaken... Er nahm die zweite Hand zur Zaunlatte und ging vorsichtig in die Seitengase hinein. Er hörte ein Fauchen... vielleicht eine Katze... dann Stille. Am Ende der Gasse war es dunkel. Es war fünf Uhr morgens und langsam sollte die Sonne aufgehen, doch das Ende der Gasse war Tiefschwarz. Er setzte weiter einen Schritt vor den anderen. Tatsächlich lagen hier Tote Katzen herum. Es waren vier, nein drei... eine war in zwei Teile gebissen, oder gerissen worden und hatte danach wohl noch versucht weg zu kriechen. Tom schmunzelte kurz bei der Vorstellung, dann wurde das Knurren lauter. Es schien fast so, als würde ihn etwas dort hinziehen, zum Ende der Straße. Etwas Dunkles... etwas Mächtiges... etwas Zornigeres als er es war, und er setzte weiter einen Schritt vor den anderen. Roten Augen funkelten in absoluter Finsternis. Dann sprang es heraus und seine Fänge schlossen sich um Toms Brustkorb. Er brüllte erschrocken und schlug wie wild auf dieses schwarze Dinge ein, bis die Zaunlatte zerbrach. Es zerrte Tom rückwärts in den Schatten und Tom hörte sich schreien... wie damals...
Das Wesen welches sich aus dem Schatten schälte sah aus wie ein männlicher Mensch, Mitte/Ende Vierzig. Seine Jacke war zerrissen und blutig. Seine Hände endeten in tierhaften Klauen und seine Augen funkelten rot und konnten den einzigen, dahinter liegenden Gedanken nicht verstecken: Rache
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