Das Rattern beginnt plötzlich und unangekündigt. Hell und Dunkel wechseln sich ab, wie es typisch ist für einen der alten Filmprojektoren. Und dann ist ebenso unvermittelt das Bild da. Die Farben sind wie bei jedem alten Super 8-Film verblasst.
Ein junges Paar sitzt nebeneinander auf einem Sofa. Beide tragen Sonnenbrillen. Die junge Frau trägt einen breiten Sonnenhut und eine Kleid mit hellen Punkten. Ihr aschblondes Haar hat sie unter dem Hut zurückgelegt. Sie hält den Hut fest, als würde er ihr jeden Moment vom Kopf geweht. Der junge Mann trägt ein sportliches Sakko, das ihm offen über ein blaues Hemd fällt. Sein braunes Haar ist zeitgemäß nach hinten gelegt und mit Haargel fixiert. Außerdem hat er einen Teller in beiden Händen, als wäre er ein Lenkrad. Hinter ihnen auf der Rückenlehne des Sofas lehnt das Gemälde einer Straße. Das junge Paar wackelt auf und ab, als würde das Sofa sich bewegen.
Junge Frau: „Mom, Dad - nicht zu vergessen Herr und Frau Francke - wird dürfen Euch begrüßen zu unserem Flitterwochen-Tagebuch. Wir haben keine Kosten gescheut und die modernste Kameratechnik besorgt, die es auf dem Markt gibt. Wie Ihr sehen könnt, befinden wir uns jetzt gerade auf der Straße nach Saint Tropez.“
Sie deutet auf das Gemälde hinter sich, als würde das alles erklären. Dann schaut sie in den Himmel.
Junge Frau: „Das Wetter könnte durchaus besser sein. Aber die Luft hier an der Côte d'Azur ist traumhaft frisch.“
Der junge Mann wirft einen Blick in den vermeindlichen Seitenspiegel und wendet dann das Auto, was zur Folge hat, dass die Frau sich angestrengt festhalten muss. Dann spricht sie weiter.
Junge Frau: „Die Straßen sind eng und kurvig. Und deshalb müssen wir hier bereits unterbrechen.“
Sie beugt sich vor, und schon gibt es einen Schnitt.
Jetzt sitzt die Frau am Steuer und lenkt lässig. Sie trägt das Sakko und das Hemd, das der Mann eben noch getragen hat. Er hingehen ist nun bekleidet mit ihrem Kleid und dem Hut.
Junger Mann – im deutlichen Versuch, die Sprechweise der Frau möglichst höhnisch nachzuahmen: „Wir schleichen als jetzt in unserem Wagen an der Küste entlang, und...“
Junge Frau: „Es ist eine Ente.“
Junger Mann: „Es ist natürlich ein Stratos. Wir sitzen in unserem roten Sportauto und...“
Die Frau beugt sich zu ihm rüber, lässt das Lenkrad achtlos neben sich auf das Sofa fallen und bringt den Mann zum Schweigen, indem sie ihm einfach einen langen Kuss aufdrückt. Zuerst fällt ihm der Hut vom Kopf, dann sinken beide aus dem Bild.
Schnitt.
Das gleiche Sofa. Im Hintergrund steht diesmal allerdings die Zeichnung eines Gebirges. Das junge Paar ist dick eingepackt in Daunenjacken, Schals und Mützen.
Junger Mann: „Wir haben jetzt den Gipfel des Mont Blanc erreicht und sind in Höhen vorgedrungen, die noch kein Mensch jemals gesehen hat.“
Junge Frau: „Ziegen hingegen gibt es hier oben in Massen. Haarige, weiße Biester, die einem das letzte Hemd vom Leib fressen und beim Kartenspielen betrügen.“
Junger Mann: „Und das, meine lieben Zuschauer, könnte der Grund sein, warum hier niemand hin will. Wir müssen jetzt die Aufnahme beenden, weil...“
Junge Frau: „Aber lass uns noch eine Panorama-Aufnahme drehen. Es ist wirklich nicht wahrscheinlich, dass sie hier jemals hinkommen.“
Junger Mann: „Die Kameratechnik ist höchst empfindlich, Joyce.“
Junge Frau: „Na schön. Aber seid Euch gewiss, dass wir Euch einen Brief voller Schnee schicken, damit Ihr auch was davon habt.“
Schnitt.
Das gleiche Sofa. Die Zeichnung an der Wand zeigt diesmal eine nächtliche Großstadt. Das junge Paar ist nicht zu sehen, bis sich beide langsam von unten ins Bild schieben. Sie tragen schwarze Wollmützen und haben sich die Gesichter dunkel angemalt. Sie erinnern an Spezialagenten aus James Bond-Filmen.
Junge Frau (flüsternd): „Um es kurz zu fassen, wir sind hier in eine äußerst geheimnisvolle Geheimsache geraten. Unsere Länder und ungefähr alle anderen brauchen jetzt unsere speziellen Fähigkeiten.“
Junger Mann: „Es wird vermutlich zu Gewalt und blutigen Ausbrüchen kommen. Wir können nicht garantieren, ob und wann wir Euch das nächste Mal sehen.“
Junge Frau (nickend): „Ich würde ja gern anmerken, dass er vermutlich übertreibt. Aber so wie die Dinge stehen, hat er recht.“
Er schaut sie an.
Junger Mann: „Ich habe immer recht.“
Sie blickt ihm in die Augen und schmunzelt.
Junge Frau: „Immer.“
Junger Mann: „Ich glaube, das sind die aufregendsten Flitterwochen aller Zeiten.“
Die junge Frau strahlt ihn an und macht dann die Kamera aus.
Das Rattern des Projektors wird schließlich langsamer und verstummt ganz.
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