Finh Rattner
02.11.2011
Momper
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Das Licht fällt in farbigen Strahlen durch die dicken Buntglasfenster. Der Kamin hat den Raum warm gemacht. Traumhaft. Er legt die Füße hoch.
Natürlich wird jede angenehme Situation irgendwann durch irgendwas gestört. Hier sind es die dumpfen Schritte eines harten Stiefelpaares, begleitet vom spezifischen Rascheln des Pergaments.
Schon wird es auf den schweren Schreibtisch aus dunklem Holz gelegt. Er muss es lesen. Das mit dem Lesen hat er doch längst gelernt. Aber als er sich das Pergament ansieht, kann er die Schriftzeichen nicht deuten, fast so, als würde die Information darüber, was sie bedeuten, irgendwo im trüben Raum zwischen Wahrnehmung und Verarbeitung stecken bleiben. Er beugt sich über die Schrift und kneift die Augen zusammen bis es weh tut. Derjenige, der das Schreiben gebracht hat, steht hinter dem Schreibtisch. Ungeduldig wartet er darauf, daß es gelesen und eingeschätzt wurde. Nicht mal das Gesicht des Mannes (oder der Frau?) ist zu erkennen, so sehr er sich auch bemüht. Es ist unscharf. Oder besser: Es ist nicht bis zum Ende gezeichnet, wird sich vermutlich noch einmal verändern, bleibt sowieso nicht gleich und ist nicht von Relevanz für jetzt.
“Was nun?”, fragt die Gestalt stimmlos und fordert Resultate. Dabei ist er ja noch nicht einmal dazu gekommen, zu begreifen, worum es überhaupt geht.
“Ja, mach das so.”, antwortet er ins Blaue hinein. Die Gestalt ist natürlich skeptisch, auch wenn sie kein Gesicht hat, an dem man das ablesen könnte.
Da plötzlich tippt ihn jemand an. Von der Seite. Legt ein Pergament auf den Tisch aus schwerem Holz, drängt zur Eile.
“Unterschreiben! Unterschreiben!”, halt es in seinem Kopf und im Kamin.
“Dann brauche ich eine Feder!”, hört er sich denken. Aber er hat keine beantragt.
“Muss man denn hier alles selbst machen?”, ruft er.
“Aha! Es ist Dir zu Kopf gestiegen. War ja klar.”, rufen die Vielen.
Da setzen sich andere zu ihm an den Tisch, reden laut und wirr, schauen ihn schließlich an und fordern seinen Kommentar, während derjenige neben ihm immernoch auf die Unterschriften wartet und der Erste skeptisch guckt.
Die Schlange wird immer länger. Reden, reden, reden. Ja, Entschuldigung. Hier lächeln für das Gemälde. So lange? Der Sand rieselt, und er muss einen Eimer darunter stellen. Nein, diesmal wird er keinen darum bitten. Sonst beschimpfen sie ihn wieder. Er stinkt nach Schweiß. Der Tisch ist schmutzig vom Sand. Kann er nicht mal Ordnung halten? Kann doch nicht so schwer sein. Sitzt sich doch eh nur den ganzen Tag den Hintern platt. Braucht wohl eine Haushälterin, oder wie? Pah! Straßenkind! Geschissen auf Straßenkind! Du willst alles besser machen. Wenn Du Dich darauf einlässt, veränderst Du nicht es. Es verändert Dich. Alle haben es gesagt, aber Du dachtest, Du wärst die Ausnahme.
“Unterschreiben! Unterschreiben!”
Der Tisch dreht sich. Putzen. Wischen. Blättern. Reden. Schreien. Schreiben.
“Wir sind das Volk! Bree den Breeländern!”
“Ich bin Breeländer, Ihr Penner!”
“War ja klar, daß er das irgendwann sagt.”
“Was? Ich hab doch recht.”
Machthure! Schreibtischtäter! Die Feder ist stärker als das Schwert. Wenn ich nur eine hätte.  Flüstern. Flüstern. Flüstern. Enttäuschte Blicke.
MIR DOCH EGAL!
“Und warum hast Du es dann getan?”
Jemand hält ihm die Liste hin. Sein Name ist der erste. Dann rollt sie auseinander.
Und rollt.
Namen. Namen. Namen.
Und rollt.
Ein Landsmann ist genau der Richtige.
Und rollt.
Einer, der sich für die einfachen Leute einsetzt.
Und rollt.
Und rollt.
Und rollt.

Endlich erwacht er. Und er verspürt eine unendliche Erleichterung. Und er ist Fia und Winthallan unendlich dankbar.
Natürlich dürfen sie das niemals erfahren.
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